Kampf ums Wasser in Frankreich

Am 25. März kam es zu einer Großdemonstration gegen einen geplanten Mega-Wassertank in Sainte-Soline im westfranzösischen Departement Deux-Sèvres. Zu dem Protest aufgerufen hatten das Bündnis “Bassines non merci“, die Umweltbewegung „Soulèvements de la Terre“ und die Bauernorganisation "Confédération Paysane". "Nein zu den Megabecken", lautete die Losung, unter der sich 30.000 Menschen gegen die Pläne der französischen Regierung - trotz Wasserknappheit - riesige Becken für agrarindustrielle Konzerne zurückzuhalten, versammelten. In Sainte-Soline entsteht eines von insgesamt 16 Staubecken mit einer Gesamtkapazität von rund sechs Millionen Kubikmetern, die in der regenarmen Region geplant sind.

Die Veranstalter*innen wurden schon im Vorfeld mit einem Versammlungsverbot belegt. Zehntausende erschienen trotzdem, um ihrer Sorge vor Wasserknappheit und ihrer Kritik an der wasserintensiven industriellen Produktion Ausdruck zu verleihen. Als sie sich der Baustelle näherten, eröffneten Polizist*innen - insgesamt wurden mehr als 3200 Beamt*innen eingesetzt - das Feuer. Tränengasgranaten und LBD 40-Blitzkugeln, die in den meisten europäischen Ländern verboten sind, flogen in Richtung der Demonstrierenden. Daraufhin eskalierte die Situation, mehrere Polizeiwagen wurden in Brand gesetzt. Die Bilanz auf Seiten der Protestierenden: 200 Verletzte, 40 von ihnen schwer. Zwei Menschen, liegen noch immer im Koma und schweben in Lebensgefahr. 

Kritik aus Deutschland am Vorgehen der französischen Regierung und der Ordnungskräfte

Die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zeigten sich in einer Stellungnahme schockiert über die Gewalteskalation. Sie verurteilten jede Art von Gewalt, die Menschen und Menschenrechte verletzt und solidarisierten sich mit den Umwelt- und Bauernorganisationen, die den Protest organisiert hatten. Das angekündigte Verbot der Bewegung"Soulèvements de la Terre" und die Repression, der die Demonstrant*innen ausgesetzt waren, verurteilten die beiden Organisationen scharf.

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL befürchtet eine generelle Zunahme der Repressionen gegen ökologische und soziale Bewegungen. Frankreich müsse wie Deutschland auch seine Wasserpolitik an den Menschenrechten ausrichten, so Abl und FIAN. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Recht auf sauberes Trinkwasser, Pedro Arrojo-Agudo, hatte unlängst in einer Stellungnahme im März 2023 auf der Weltwasserkonferenz der Vereinten Nationen auf die menschenrechtlichen Probleme der Privatisierung von Wasser verwiesen. Auch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Bäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (UNDROP) betont die Rechte von Bäuer*innen, Wasser zu nutzen und gemeinschaftlich zu verwalten. „Menschenrechtlich ist es nicht hinnehmbar, kleinere bäuerliche Betriebe in der Wasserpolitik und in ihren Mitbestimmungsrechten zu diskriminieren“, stellt die Vorsitzende von FIAN Deutschland, Friederike Diaby-Pentzlin, klar.

Der UN-Sonderberichterstatter für Umweltschutz, Michael Forst, kritisierte im Gespräch mit der Tageszeitung Le Monde, dass die Antwort des Staates in Sainte-Soline weitgehend unverhältnismäßig sei. Als Menschenrechtsorganisation ist FIAN regelmäßig mit Kriminalisierungen von und Gewalt gegen soziale Bewegungen in Ländern des Globalen Südens konfrontiert. "Wir sind entsetzt von Berichten über Gewalt und Repressionen, die nahe legen, dass ähnliche Entwicklungen in unserem Nachbarland Frankreich stattfinden", so Diaby-Pentzlin.

Georg Janßen von der AbL betont dass die UN-Erklärung über die Rechte von Bäuerinnen und Bauern (UNDROP) auch das Recht der freien Meinungsäußerung sowie das Recht auf Versammlung schütze. "Die neue Wasserstrategie des französischen Präsidenten Macron muss also mit den Bäuerinnen und Bauern diskutiert und gemeinsam ausgearbeitet werden, statt diese mit massiver Staatsgewalt zu konfrontieren,“ forderte Janßen.

Wasserresourcenschonende Praktiken fördern

Statt weiter zu machen wie bisher, ist es an der Zeit, die Herausforderungen der Klimakrise anzuerkennen und das Wasser gerecht zu verteilen. Der von der Regierung Macron angekündigte „Wasserplan“ müsste die Wasserentnahme durch die Landwirtschaft insgesamt reduzieren. Nach Ansicht der "Confédération Paysane" müssen dabei die Fragen im Zentrum stehen, was bewässert wird und für welches Landwirtschafts- und Nahrungsmittelmodell dies geschieht? Das Landwirtschaftsmodell müsse wieder viel stärker lokal ausgerichtet sein, hochwertige Lebensmittel produzieren, seine Wasserentnahmen begrenzen und so letztlich die immer knapper werdenden Wasserressourcen schützen.

In diesem Sinn fordert die französische Bauernorganisation:

  • Die Wassernutzung in der Landwirtschaft zu priorisieren. Eine landwirtschaftliche Erzeugung, die die Lebensmittelversorgung „relokalisiert“ und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft schafft, muss Vorrang haben, insbesondere der vielfältige Gemüseanbau.
  • Eine Obergrenze für die Wassermenge pro Betrieb je nach Anzahl der Beschäftigten und der Erzeugung festzulegen. Die Obergrenzen sollten auf lokaler Ebene festgelegt werden und sich an den klimatischen und hydrogeologischen Bedingungen des Gebiets orientieren sowie an Praktiken, die in erster Linie die Wassereinsparung fördern.
  • Grundlegende Neuausrichtung der wasserbezogenen Finanzmittel in der Landwirtschaft mit dem Ziel Praktiken, die das Wasser im Boden speichern, zu fördern und zu entwickeln (Begrünung, Hecken, Dauergrünland, bäuerliches Saatgut, Hecken, Grünstreifen usw.), das Wasser zu schützen (weniger chemisch-synthetische Betriebsmittel) und Wasserressourcen sparen.
  • Und ein Ende der Megabecken, mit denen kleinen und mittleren Betrieben das Wasser abgegraben wird.

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