Weniger Tierhaltung, weniger Verschwendung und eine grünere Agrarpolitik

Weniger Tierproduktion, weniger Lebensmittelverschwendung und eine grünere EU-Agrarpolitik - das fordern über 500 Wissenschaftler*innen in einem Statement, das am 18. März veröffentlicht wurde. Damit appelierten sie an die EU-Agrarminister*innen, nicht von einer nachhaltigeren Landwirtschaft abzurücken, nur um die Getreideproduktion zu steigern. Die Forschenden schlagen drei Schlüsselmaßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krise vor und betonen, dass eine Änderung der Nachfrageseite zu einem widerstandsfähigeren und nachhaltigeren globalen Ernährungssystem führen kann, anstatt sich nur auf die Angebotsseite - etwa für Tierfutter - zu konzentrieren. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Auswirkungen auf das weltweite Nahrungsmittelsystem. Die Ukraine und Russland sind wichtige Erzeuger von Getreide und Düngemittel.

“Die weltweite Ernährungsunsicherheit wird nicht durch eine Einschränkung des Nahrungsmittelangebots verursacht. Sie wird durch ungleiche Verteilung verursacht", sagt Sabine Gabrysch. Die Forscherin vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist eine der Autorinnen des Statements. Es gebe mehr als genug Nahrungsmittel, um die Welt zu ernähren, auch jetzt bei diesem Krieg. "Allerdings wird das Getreide an Tiere verfüttert, als Biokraftstoff verwendet oder einfach verschwendet, anstatt hungrige Menschen zu ernähren", so Gabrysch. Jetzt Umweltvorschriften aufzuweichen, um die Lebensmittelproduktion zu steigern, würde die Krise nicht lösen. Es würde vielmehr noch weiter von einem robusten Ernährungssystem entfernen, das gegen künftige Schocks gewappnet ist und eine gesunde und nachhaltige Ernährung ermöglicht.

In der Erklärung werden drei Hebel vorgeschlagen, um die kurzfristigen Schocks zu bewältigen und gleichzeitig die menschliche Gesundheit und eine langfristige nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten:

  1. Beschleunigung der Umstellung auf eine gesündere Ernährung mit weniger tierischen Erzeugnissen in Europa und anderen Ländern mit hohem Einkommen, wodurch sich die für Tierfutter benötigte Getreidemenge verringern würde;
  2. Steigerung der Produktion von Hülsenfrüchten und weitere Ökologisierung der EU-Agrarpolitik, auch um die Abhängigkeit von russischem Stickstoffdünger und Erdgas zu verringern;
  3. Verringerung der Lebensmittelverschwendung, da beispielsweise die Menge an vergeudetem Weizen allein in der EU etwa der Hälfte der Weizenexporte der Ukraine entspricht.

Weitere kurzfristige Maßnahmen der europäischen Regierungen sollten die Bereitstellung von Mitteln für das Welternährungsprogramm zum Kauf von Getreide umfassen und die Aufrechterhaltung des Handels einschließlich des Handels mit Lebensmitteln von und nach Russland, heißt es in der Erklärung. Die sozialen Sicherungssysteme sollten in der gesamten EU gestärkt werden, um negative Auswirkungen der steigenden Lebensmittelpreise für arme Haushalte zu vermeiden.

"Dieser schreckliche Krieg zwingt uns, etablierte Praktiken zu überdenken", sagt Marco Springmann von der Universität Oxford, der das Papier mitverfasst hat. Das gelte insbesondere auch im Ernährungssektor, der jetzt schon Schockwellen durch den Krieg erlebt. "Die Diskussion über Ernährungsumstellungen angesichts des Krieges ist wichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag", so Springmann, "denn durch eine stärker pflanzlich basierte Ernährung anstelle von Fleisch wären in der Welt letztlich mehr Nahrungsmittel verfügbar, einfach weil die Tierproduktion ineffizient ist." So könne und sollte man auf die kurzfristige Krise in einer Weise reagieren, die auch geeignet ist, die langfristigen Krisen des Welternährungssystems zu bewältigen.

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Weniger Tierproduktion, weniger Lebensmittelverschwendung und eine grünere EU-Agrarpolitik - das fordern über 500 Wissenschaftler*innen in einem Statement, das am 18. März veröffentlicht wurde. Damit appelierten sie an die EU-Agrarminister*innen, nicht von einer nachhaltigeren Landwirtschaft abzurücken, nur um die Getreideproduktion zu steigern. Die Forschenden schlagen drei Schlüsselmaßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krise vor und betonen, dass eine Änderung der Nachfrageseite zu einem widerstandsfähigeren und nachhaltigeren globalen Ernährungssystem führen kann, anstatt sich nur auf die Angebotsseite - etwa für Tierfutter - zu konzentrieren. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Auswirkungen auf das weltweite Nahrungsmittelsystem. Die Ukraine und Russland sind wichtige Erzeuger von Getreide und Düngemittel.


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