10.000 für die sozial gerechte Agrarwende und gutes Essen für alle

"Wir haben es satt!"-Bündnis forderte bei Demonstration Umverteilung, damit Agrarwende und gutes Essen für alle klappen

Bei eisigen Temperaturen waren am 21. Januar bei der »Wir haben es satt!«-Demonstration wieder viele Tausende für gutes Essen und gute Landwirtschaft auf der Straße. Nach zwei Jahren Corona-bedingter Zwangspause trotzten 10.000 Menschen im Berliner Regierungsviertel der Kälte. Sie forderten – aufgerufen von 60 Organisationen aus Landwirtschaft und Gesellschaft – die sozial gerechte Agrarwende. Konkret heißt das: Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben und Klimakrise stoppen, artgerechte Tierhaltung statt Megaställe und gutes Essen für alle. Die Demonstration, die seit 2011 zum Auftakt der Agrarmesse »Grünen Woche« stattfindet, stand unter dem Motto: »Gutes Essen für alle – statt Profite für wenige«.

Die Bilanz nach einem Jahr Ampel-Koalition ist ernüchternd. Olaf Scholz‘ selbsternannte Fortschrittskoalition blockiert die Agrarwende – so die Kritik des Demonstrationsbündnisses. »Wir erwarten deutlich mehr von Agrarminister Özdemir und der Bundesregierung«, sagte Sprecherin Inka Lange mit Blich auf die Agrar- und Ernährungspolitik der Bundesregierung. »Das war zu wenig ambitioniert, zu mutlos und zu langsam.«

Die Lage ist ernst: Jeden Tag schließen hierzulande im Schnitt zehn Bauernhöfe. Für Konzerninteressen wird in Lützerath die Klimakrise weiter angeheizt und das 1,5-Grad-Ziel beerdigt. Weltweit hungert jeder zehnte Mensch, während 95 Energie- und Lebensmittelkonzerne ihre Gewinne im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben. Und trotz enormen Reichtums können sich bei uns viele Menschen keine gesunden, umweltgerecht hergestellten Lebensmittel leisten. Fortschritt geht anders.

Karen Stubbemann, die mit dem Trecker angereist war, forderte endlich Rahmenbedingungen für den Umbau der Landwirtschaft: »Wir brauchen wirtschaftliche Perspektiven, die eine klima- und umweltschonende Bewirtschaftung und den Umbau der Tierhaltung ermöglichen«, sagte die Bäuerin aus Niedersachsen. Die Agrarsubventionen müssen gerecht verteilt und an ökologische und tiergerechte Kriterien gebunden werden. Weiterhin verlangte sie vom Agrarminister ein klares Bekenntnis gegen Gentechnik auf Acker und Teller.

Klar ist: 2023 muss Özdemir die Agrar- und Ernährungswende voranbringen – und zwar sozial gerecht. Denn eine gute Zukunft geht nur sozial und ökologisch. Die Demonstrant*innen forderten daher: eine Übergewinnsteuer auch für Agrar- und Lebensmittelkonzerne, die Mehrwertsteuer bei Obst und Gemüse auf Null senken, viel mehr Unterstützung für Menschen mit wenig Geld, eine Vermögensabgabe für Superreiche sowie gerechte und klimaschonende Agrarsubventionen.

Artgerechte Tierhaltung, mehr Insekten- und Klimaschutz auf den Höfen, die notwendige Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes um mindestens 250 Euro – das alles kostet, und dafür muss Finanzminister Lindner die Mittel freigeben. Das Geld ist da. Es konzentriert sich allerdings in den Händen weniger Milliardär*innen: 81 Prozent der Vermögensgewinne aus den Jahren 2020 und 2021 gingen auf das Konto des obersten Prozents in Deutschland. Der gesellschaftliche Reichtum muss fair verteilt werden und mit gerechten Steuern müssen wir dafür sorgen, dass Konzerne nicht länger von Krisen profitieren.

Der Neustart der Agrarwende-Bewegung nach zweijähriger Corona-Pause ist geglückt. Angesichts der drängenden Problemlagen tut das auch Not.

 


Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Form in Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, 02/2023.


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