Corona-Maßnahmen fördern einseitig industrielle Lebensmittelversorgung
Die Menschenrechtsorganisation FIAN legt ihren zweiten Bericht zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Recht auf Nahrung vor. Der Report, der sich auf Recherchen von Partnerorganisationen auf der ganzen Welt stützt, beleuchtet die Auswirkungen der Pandemie in über 30 Ländern.
Aktuell mehren sich Zeichen, dass Covid-19 die weltweite Ernährungslage gefährdet. Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung in Ländern des Südens arbeiten in der Landwirtschaft: Vielen droht Überschuldung und der Verlust von Ackerland, Haus und Tieren. Stark betroffen sind auch die rund zwei Milliarden Menschen, die ohne Sozial- oder Gesundheitsvorsorge im informellen Sektor arbeiten. Einkommensverluste – u.a. durch Ausgangssperren – führen für dfiese Personen innerhalb von kurzer Zeit zu Ernährungsproblemen.
FIAN kritisiert, dass die Maßnahmen gegen die Pandemie so ausgerichtet sind, dass die industriellen Ernährungssysteme gestärkt werden. Kleinbäuer*innen und lokale Handels- und Vermarktungswege hingegen werden vernachlässigt oder sogar an den Rand gedrängt. Dadurch werden speziell diese Berufs- und Bevölkerungsgruppen noch weiter in Hunger und Armut getrieben.
„Lokale Märkte mit frischen und gesunden Lebensmitteln wurden in vielen Ländern geschlossen und Straßenverkäufe verboten, während Supermärkte geöffnet bleiben," sagt Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland, und warnt: "Der ohnehin bedenkliche Konzentrationsprozess im Lebensmittelhandel wird hierdurch weiter beschleunigt." Der Bericht dokumentiert, dass unter anderem in Ecuador, Kolumbien, Simbabwe, Senegal, Mosambik und den USA Märkte von Kleinhändler*innen geschlossen wurden. Dadurch wurden Ernten und Nahrung vernichtet, hunderttausenden Kleinproduzent*innen das Einkommen genommen und Millionen von Menschen der Zugang zu frischen und gesunden Lebensmitteln verwehrt.
Die Unterstützung der Lebensmittel- und Einzelhandelskonzerne geschieht oftmals auf dem Rücken der Arbeiter*innen. Beschäftigte, die in der industriellen Fleischproduktion in Europa und den USA arbeiten sind ebenso wie landwirtschaftliche Wanderarbeiter*innen in Deutschland deutlich stärker Infektionen und prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Der Tönnies-Fall unterstreicht dies aktuell mit aller Deutlichkeit.
Vor diesem Hintergrund setzt sich FIAN sich bei der Bundesregierung dafür ein, dass Kleinbäuer*innen nicht als Verlierer*innen, sondern gestärkt aus der Krise hervorgehen. „Wir benötigen lokale Vermarktungsstrategien, Schutz vor Landverlust in Zeiten finanzieller Not und eine krisenfeste Landwirtschaft auch in Zeiten des Klimawandels," erklärt Mimkes. "Die Spekulation mit Nahrungsmitteln wie nach der Finanzkrise muss verhindert werden.". Erfreulich ist, dass die Lockdowns vielfältige Solidaritätsaktionen ausgelöst haben - sowohl in ländlichen Gebieten als auch in Städten. Spanien, Brasilien, Südafrika und Kolumbien sind Beispiele dafür, dass sich lokale Gemeinschaften und soziale Bewegungen mobilisiert haben, um den Zugang zu nahrhaften Nahrungsmitteln zu sichern.
FIAN ist Teil des Trägerkreises von Meine Landwirtschaft. Der 22-seitige Bericht der internationalen Menschenrechtsorganisation kann in englischer Sprache hier heruntergeladen werden.
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