Agrarwende lässt sich nicht mit leeren Versprechungen realisieren

Immer wieder vor der Grünen Woche das gleiche Déjà-vu: wohlklingende Vorschläge aus dem Hause des Agrarministers Schmidt. Dass er sich den Namen des Ankündigungsministers verdient hat, hat der CSU-Mann in den letzten vier Jahren mit seiner Politik der leeren Versprechungen bewiesen. Auf einer Pressekonferenz in Berlin bekam der Minister am Montag Schelte von Bauern, Expertinnen und Unternehmern, die ein fatales Bild der Agrarpolitik zeichneten. Mehr Mut für eine ambitionierte Agrarwende sei nun von Nöten, so der Tenor der Sprecher*innen. Sie riefen die Bevölkerung auf, sich an der Wir haben es satt!-Demonstration für eine andere Agrarpolitik zu beteiligen, die am Samstag um 11 Uhr am Berliner Hauptbahnhof beginnt.

Jan Wittenberg, Ackerbauer aus Niedersachsen, hat früher mit Glyphosat gewirtschaftet und 2010 den Mut besessen auf Ökolandbau umzustellen. Erweiterte Fruchtfolgen sind sein Geheimrezept, mit dem er sich unabhängig von der Agrochemie macht. Wittenberg berät nun auch landwirtschaftliche Betriebe beim Pestizid-Ausstieg und kennt die Sorgen und Nöte von Berufskolleg*innen. Wittenberg forderte ein deutliches Signal aus der Agrarpolitik ein. Bei der Reform der EU-Agrarsubventionen im Jahr 2020 müsse nach Qualitätskritieren umgeschichtet werden, damit die Landwirtinnen und Landwirte ihr volles Potential entfalten könnten.

Unaufschiebbare Herausforderungen für die Agrarpolitik warten nach Aussage von Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auch in der Tierhaltung. Die intensive Haltung führt zur Überdüngung der Felder, die letztlich das Grundwasser mit Nitrat verunreinigt. Weyand erläuterte, dass das Düngerecht unzureichend sei und Deutschland deswegen bereits mehrfach von der Europäischen Kommission abgemahnt worden ist. Der aktuelle Gülle-Notstand in Teilen des Landes macht zudem deutlich: Wir müssen unser Nahrungsmittel Nummer 1 besser schützen, damit auch die nächste Generation die Wasserressourcen nutzen kann.

Zugang zu Wasser ist auch in den Ländern des Globalen Südens ein entscheidendes Thema, denn viele Menschen auf der Welt verfügen nicht mehr über sauberes und allgemein zugängliches Trinkwasser. Und auch Land und Saatgut sind umkämpft, wie Sofiá Monsalve Súarez von FIAN International berichtete. Die fortschreitende Privatisierung von Saatgut raubt Kleinbäuerinnen und -bauern die Existenz und drängt sie in die Abhängigkeit von Agrarkonzernen. Monsalve Suárez sieht hier die deutsche Agrarpolitik mit ihren billigen Exporten mitverantwortlich, da sie die lokalen Märkte zerstöre: „Deswegen brauchen wir weltweite Bauernrechte und eine globale Agrarwende. Dafür schlagen wir am Samstag mit unseren Kochtöpfen Alarm.“

Am Samstag wird die Wir haben es satt!-Großdemonstration zur Internationalen Agrarminister*innenkonferenz ziehen, bei der rund 70 Minister*innen aus der ganzen Welt über die Zukunft der Ernährung beraten werden. Mit dem Kochtopf in der Hand – dem Symbol der Verbundenheit zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen – werden sie ein deutliches Signal in den Sitzungsraum senden. Denn: Die Bewegung für eine bäuerliche und zukunftsfähige Landwirtschaft setzt sich lautstark für die Agrarwende ein – und sie lässt sich nicht mit leeren Versprechungen abspeisen.


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