Schmidts Weihnachtsgeschenk an die Agrarindustrie

Das Votum von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt auf EU-Ebene, durch das Glyphosat weitere fünf Jahre zugelassen wird, hat vielfachen Protest bis hin zu Rücktrittsforderungen provoziert. Gegen den Willen von Umweltministerin Barbara Hendricks hatte der CSU-Politiker mit „Ja“ votiert – und damit gegen die Geschäftsordnung der amtierenden Bundesregierung verstoßen und einen handfesten Eklat verursacht. Schmidt hätte sich enthalten müssen, bevorzugte aber das Zünglein an der Waage für die Verlängerung des höchst umstrittenen Ackergifts zu spielen.

Ohne seine Zustimmung wäre das notwendige Quorum, nach dem mindestens Vertreter von zwei Drittel der EU-Bevölkerung mit Ja stimmen müssen, nicht erreicht worden.

Mit diesem Alleingang verortete sich Schmidt nicht nur unmissverständlich auf Seite von agrarindustriellen Konzernen wie Bayer-Monsanto, sondern er stieß auch der Zivilgesellschaft massiv vor den Kopf. Verschiedene Erhebungen hatten in der Vergangenheit den Bürger*innenwillen belegt, Glyphosat aus der Landwirtschaft verbannen zu wollen. So sprachen sich laut einer von Greenpeace in Auftrag gegeben repräsentativen Umfrage 83 Prozent dafür aus. Befragungen von Naturschutzbund (77 Prozent Ablehnung) und Campact (70 Prozent) kamen zu vergleichbaren Ergebnissen. Es ist also klar: Eine eindeutige Mehrheit will hierzulande das Totalherbizid weder in Gärten noch auf Äckern.

Auch auf europäischer Ebene sieht das Stimmungsbild ähnlich aus. Bei einer europaweiten Bürger*inneninitiative hatten vor wenigen Monaten 4 Millionen Menschen unterschrieben und so gegen die nun verabschiedete Wiederzulassung protestiert. Dass Schmidt nun in dieser Form gegen den Bürger*innenwillen handelt, brachte ihm einmal mehr massive Vorwürfe ein. Jochen Fritz, Sprecher der Wir haben es satt!-Demonstration, kommentierte etwa: „Christian Schmidt hat mit diesem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk an Bayer-Monsanto einmal mehr bewiesen, dass er ein Handlanger der Industrie ist.“ Eine derartige Fehlbesetzung im Landwirtschaftsministerium dürfe es nicht noch einmal geben. Nach Bekanntwerden der Entscheidung verbreitete sich ein von Campact gestarteter Eil-Appell rasant über die Social Media-Kanäle. Innerhalb kürzester Zeit unterzeichneten knapp 250.000 Menschen den Aufruf, der den Rücktritt Schmidts fordert.

Nicht nur das Vertrauen der Gesellschaft ist durch Schmidts Verhalten tief erschüttert worden. Auch mögliche Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union werden von dem fragwürdigen Vorgehen des Ministers überschattet. „Egal welche Partei mit der CDU und CSU in den nächsten Wochen am Verhandlungstisch sitzt, ein nationaler Glyphosat-Ausstiegsplan muss gesetzt sein“, forderte Leif Miller unlängst. Der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbund verlangte, die künftige Bundesregierung müsse den Beweis antreten, dass sich die deutsche Agrarpolitik nicht blind nach den Interessen der Agrarindustrie richtet, sondern nach denen von Verbrauchern und Umwelt.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) will einen schnellstmöglichen Ausstieg aus dem chemisch-synthetischen Pflanzenschutz. „Bio-Bauern, aber auch immer mehr konventionelle Landwirte, beweisen, dass eine moderne Landwirtschaft ohne Glyphosat auskommt“, so Felix Prinz zu Löwenstein. Ein Ackerbau ohne die Nutzung von Pflanzengiften wie Glyphosat funktioniere nicht nur, sondern er schütze darüber hinaus Umwelt, Böden, Wasser und Bauern, stellte der BÖLW-Vorsitzende die Zukunftsfähigkeit dieses Modells heraus.

Mit einem deutschlandweiten Glyphosat-Ausstieg, wie er als Reaktion auf den Fehltritt Schmidts aktuell vielfach gefordert wird, stünde Deutschland nicht alleine da. Frankreich etwa kündigte jüngst an, unabhängig von der Entscheidung in Brüssel auf nationaler Ebene ein Glyphosat-Verbot durchsetzen zu wollen.

 

 


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