Geflügelmast und Megaställe

Masthuhn ist nicht gleich Masthuhn. Die Hochleistungszucht bringt Broiler hervor, die bei optimierter Fütterung mit Getreide und Soja nicht einmal 30 Tage bis zur Schlachtreife benötigen. Je nach Vorgabe des Schlachthofes lebt ein Masthuhn meist zwischen 28 und 42 Tage zusammen mit bis zu 23 Artgenossen auf einem Quadratmeter Stallfläche. Das entspricht etwa der Größe einer Duschwanne. Industrielle Hühnermastanlagen beinhalten meist 30.000 oder 40.000 Tiere oder mehr. Dagegen erfordern die Regeln des Ökolandbaus, dass die Tiere langsamer wachsen und mit Öko-Futter auskommen. Es dürfen maximal 4.800 Öko-Masthühner je Stall gehalten werden mit deutlich mehr Platz je Tier und limitiertem Antibiotikaeinsatz.

Kein einfaches Geschäft für Bauernhöfe

Für die rund 1700 industriellen Hühnermastbetriebe hierzulande ist es nicht einfach, Geld mit der Mast zu verdienen. Oftmals sind sie vertraglich an einen der 27 Megaschlachthöfe in Deutschland gebunden, die mehr als 100 Tonnen Masthühner pro Jahr schlachten. Das bedeutet, die Landwirtin oder der Landwirt muss nach den exakten Vorgaben des Geflügelschlachthofes Küken kaufen und schlachtreife Masthühner abliefern. Die Kosten für Stallbau, Küken, Futter, Tierarzt und Medikamente und natürlich die Arbeitszeit und das Risiko für Krankheiten und Seuchen wie die Vogelgrippe liegen bei ihr oder ihm. Ihr Einkommen hängt in diesem System davon ab, wie viel Kilo Fleisch je Quadratmeter Stallfläche und Jahr erzeugt werden kann.

Im langjährigen Mittel lagen die Erzeuger*innenpreise für ein Kilogramm Hühnchenfleisch in neun von zwölf Jahren (2004-2016) bei unter 90 Cent. Die Kosten der Bäuerin oder des Bauern hingegen sind deutlich höher. Erst bei 96 Cent je Kilogramm wären die Kosten gedeckt. Um die Kosten zu senken werden mittlerweile in einem Stall mit 40.000 Masthühnern gerade einmal 13 Sekunden Arbeitszeit pro Tierleben veranschlagt, einschließlich der Betreuung. Vor diesem Hintergrund sprechen viele davon, dass im Zuge der Industrialisierung der Hühnchenmast die Bauern und Bäuerinnen zu Knechten im eigenen Stall gemacht worden sind.

Die Entwicklung der Geflügelmast

Obwohl sich zwischen 1990 und 2013 die Anzahl der Masthühner in Deutschland fast verdoppelte, gaben 41 Prozent der Betriebe die Hühnermast auf (Quelle: Steckbrief Mastgeflügel vom Thünen-Institut). Mit Blick auf das gesamte Mastgeflügel wurden allein zwischen 2010 und 2013 die Maststallkapazitäten um 37 % ausgeweitet. In Niedersachsen steigerten die Mäster*innen die Geflügelproduktion sogar um über 70 %. Auch in Sachsen, NRW und Brandenburg entstanden zahlreiche neue Massentierhaltungen. Die Anzahl der Betriebe wuchs hingegen nicht, vielmehr bauten die bereits existierenden Mastbetriebe neue und größere Stallanlagen.

Megaställe: Schlecht für Tiere und Trinkwasser

Die Forschung sieht bei Masthühnern eine Reihe von Tierschutzproblemen im System der industriellen Tierhaltung: Die Enge in den Ställen führt zu Stress, z.B. Hitzestress. Das führt zu Hautverletzungen oder schmerzhaften Blasen an der Brust. Das Brustfleisch ist bei Verbraucher*innen besonders beliebt, darum sind Hochleistungsrassen genetisch so gezüchtet, dass die Hühnchenbrust rund ein Drittel des Körpergewichtes ausmacht. Oft wachsen die Masthühner zuchtbedingt schneller als ihr Knochengerüst es bewältigen kann. Das führt zu Hautverletzungen oder schmerzhaften Blasen an der Brust und Problemen beim Laufen und Stehen, sie fallen häufig um oder liegen sehr viel. Die Tiere leiden unter Atemwegserkrankungen, chronischem Hunger, Schmerzen, Schäden und Stress beim Fang und Transport zum Schlachthof. Es ist kostengünstiger, die Tiergesundheit in diesen engen, stressbehafteten Haltungen mit Antibiotika und Schmerzmitteln zu regulieren, als den Tieren mehr Platz und gesunde Lebensumstände einzuräumen.

Nicht nur die Tiere leiden in industrieller Haltung, auch die Umweltbelastungen durch gewerbliche Tierhaltung ohne Flächenbindung sind in einigen Regionen mittlerweile dramatisch. Ein Blick auf die regionale Verteilung der Masthuhnbestände zeigt, dass sich in Niedersachsen mehr als zwei Drittel der Masthuhnplätze von insgesamt 97 Millionen Mastplätzen in Deutschland befinden. 20 Prozent der Tiere leben allein im Landkreis Ems, wo erhebliche Überschreitungen der Nitrat- und Phosphatgrenzwerte für Trinkwasser im Grundwasser gemessen werden. Die Wasserbelastung, vor allem mit Nitrat, ist eine Konsequenz daraus, dass immer häufiger mehr als 50.000 Hühner in einem gewerblichen Stall stehen. Dies geschieht ungeachtet dessen, ob genügend Fläche für das Futter oder die Gülle vorhanden sind. Je mehr Intensivtierhaltung in einer Region betrieben wird, umso höher sind die Nitratbelastungen und damit die schlechten Zustände der Grundwasserqualität.

Für bäuerliche Tierhaltung mit hofeigenen Flächen stellen Gülle und Mist der Tiere einen wertvollen Bestandteil im Betriebskreislauf von Ackerbau und Viehhaltung dar. Wer jedoch zu viele Tiere und zu wenig Fläche hat, versucht die Kosten für die Gülletransporte aus dem Betrieb heraus so gering wie möglich zu halten. In viehdichten Regionen und rund um Mega-Mastanlagen ist immer wieder festzustellen, dass die Gülle nicht umweltgerecht ausgebracht wird. Die Düngemengen können von den Ackerpflanzen nicht aufgenommen werden, gelangen mit dem Regen ins Grundwasser und verursachen massive Umweltbelastungen und Kosten für Verbraucher*innen. Wasserwerke haben errechnet, dass in einigen Regionen Deutschlands die Preise für Trinkwasser um bis zu 45 Prozent steigen, wenn die Dünge-Gesetze weiterhin zu viel Gülle auf zu wenig Fläche zulassen. Laut Umweltbundesamt müsste eine vierköpfige Familie bis zu 134 € im Jahr mehr bezahlen. Obwohl dies schon heute absehbar und damit vermeidbar ist, hat die Bundesregierung das Düngerecht nicht sachgerecht verbessert.

Großschlachthöfe als Verbreiter von antibiotikaresistenten Keimen?

Neun von zehn Masthühnern erhalten Antibiotika. Durchschnittlich wird ein Masthähnchen an zehn seiner im Schnitt 39 Lebenstage mit bis zu acht verschiedenen Wirkstoffen behandelt. Diese Routine beim Antibiotikaeinsatz im Hühnerstall begünstigt Keime, die resistent gegen Antibiotika sind. Mit dem Fleisch, der Abluft aus Ställen und den Beschäftigten in der Geflügelwirtschaft gelangen die resistenten Keime in die Umwelt und zur Bevölkerung.

Eine Studie des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen und des Landeszentrum Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen belegt eine bedeutend geringere Behandlungsintensität in kleineren Betrieben mit weniger als 20 000 Tieren und einer Mastdauer von über 45 Tagen. Bei vier von zehn Antibiotikaeinsätzen wurde die Antibiotikatherapie früher abgebrochen als die Anwendungsempfehlungen vorsehen. Antibiotika können die Mast beschleunigen, auch wenn sie geringer dosiert werden als zur Therapie von Krankheiten. Allerdings gilt eine zu geringe Dosierung bzw. ein vorzeitiger Abbruch der Therapie als besonders förderlich für Antibiotikaresistenzen.

Hähnchen werden von allen Nutztieren am häufigsten mit Antibiotika behandelt. Dies besagt eine Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Leipzig. Projektleiter Prof. Lothar Kreienbrock von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover nennt die Art der Haltung als Grund für die häufige Behandlung der Hähnchen: "Ein klassischer Geflügelbetrieb hat mehrere tausend Tiere. Wenn ein Tier erkrankt, kann es alle anderen anstecken." (Lebensmittelzeitung, 9.7.2013).

Einige der 2800 kleinen Hühnerhalter*innen in Deutschland unterhalten hofeigene Schlachtungen. Für andere übernehmen Regionalschlachthöfe für Geflügel das Töten, Rupfen, Ausnehmen und Verkaufsfertigmachen für die Bauernhöfe. Es gibt in ganz Deutschland noch rund 100 kleine Schlachtbetriebe, die jeweils weniger als zehn Tonnen Geflügelfleisch pro Jahr erzeugen. Für die Mehrzahl der Hühnerhalter*innen in Deutschland sind diese kleinen Schlachthöfe besonders wichtig, weil sie über eine EU-Zulassung verfügen. Diese Zulassung bildet die Voraussetzung, Geflügel verkaufen zu dürfen. Lange Zeit galten Großschlachthöfe als hygienischer als kleine Schlachtbetriebe. Mit Blick auf Antibiotikaresistenzen kann dies nicht bestätigt werden. Masthuhnfleisch aus industrieller Schlachtung im Supermarktregal ist laut staatlichem Resistenzmonitoring zu 66 % mit Antibiotikaresistenzen belastet. (Quelle: BVL-Report zur Lebensmittelsicherheit)

Mastgeflügel-Stichproben aus bäuerlichen Hofschlachtungen, die im Auftrag vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland im Labor auf Antibiotikaresistenzen hin getestet wurden, waren dagegen frei von antbiotikaresistenten Keimen. Hofeigene Schlachtungen führen jedoch nur noch einige der 2800 kleinen Hühnerhalter*innen in Deutschland durch. Häufiger greifen bäuerliche Betriebe auf Regionalschlachthöfe zurück.

Überschuss, zerstörerischer Export und Gegenwind

Aktuell übertrifft die Masthuhnproduktion in Deutschland die Nachfrage der Verbraucher*innen um satte 34 Prozent. Auch auf dem EU-Markt herrscht Überschussproduktion. Dieses Überangebot am Markt erlaubt es den Schlachthöfen die Erzeuger*innenpreise nach unten zu drücken und bringt die Fleischkonzerne dazu, Masthunhfleisch zu exportieren. Kritik erntet die Fleischindustrie vor allem, weil Geflügelreste zu Dumpingpreisen in die Länder des Südens exportiert werden und dort die regionalen Märkte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zerstören. Ein Blick auf die Exporte der EU auf dem Weltmarkt zeigt, dass Fleischkonzerne vor allem die Teile vom Tier ausführen, die sich nicht oder nur sehr schwer auf dem EU- Binnenmarkt verkaufen lassen, im Grunde alles außer Brust und Schenkel. Die EU exportierte 2015 über 1,1 Mio. Tonnen zu einem Wert von 1,25 €/kg. Demgegenüber stehen Importe von 728.000 Tonnen zu einem Wert von 2,45 €/kg. Die Zahlen stammen aus einer Analyse des Agrarmarktes aus dem Jahr 2016 der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.

Direkte Exportsubventionen von der EU, die diese Dynamik unterstützten, liefen im Sommer 2013 aus. Allerdings fließen auch heute noch indirekte Subventionen wie Direktzahlungen für Futterflächen und Millionen-Subventionen für neue Schlachthöfe in die Konzerne der industriellen Geflügelfleischproduktion.  Damit stärken sie das Drittel der deutschen Masthuhnproduktion, das auf den Weltmarkt exportiert wird. Auch die statistisch sinkende Menge der Exporte in Drittländer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass z.B. über niederländische Zwischenhändler deutsches Geflügelfleisch scheinbar "nur" in die EU exportiert wird. Denn von dort aus werden große Mengen Geflügel aus der EU ausgeführt und oftmals nach Afrika verschifft, wo sie bäuerlichen Familien die Einkommensgrundlage rauben.

Nichtregierungsorganisationen kämpfen unter anderem in der Kampagne Meine Landwirtschaft dafür, dass Unternehmen die gesetzliche Pflicht auferlegt wird, sorgfältig die Menschenrechts-, Armuts- und Umweltauswirkungen ihres Wirtschaftens zu prüfen, bevor sie Geschäfte machen. Wenn deutsche Geflügelfirmen die Auswirkungen ihrer Exporte bis zu den Endverbraucher*innen prüfen müssten, würden Dumping-Exporte als Armutstreiber offensichtlich.

Was können wir tun?

Als Kampagne Meine Landwirtschaft empfehlen wir:

  • Weniger Fleisch und wenn überhaupt, dann aus Hofschlachtung oder Ökolandbau
  • Aktuell bremsen nicht etwa strenge Umweltgesetze, sondern hunderte Bürgerinitiativen in vielen Dörfern und Bauernschaften die drohende Ausweitung der Geflügelmast mit ihrem Widerstand vor Ort. Machen Sie mit, unterstützen Sie die Gruppen und helfen Sie beim Organisieren von Veranstaltungen oder bei der Öffentlichkeitsarbeit
  • Fragen Sie die Abgeordneten und andere Politiker*innen in Ihrem Wahlkreis und Ihrer Region, was sie gegen die Fleisch-Überproduktion, Antibiotikamissbrauch im Stall und Nitrat im Grundwasser tun.

Der beste Verbraucher*innenschutz: Kein Fleisch aus industrieller Mast und politisch bleiben!