Mit 10.000 Fußabdrücken für die Agrarwende
Bei eisigen Temperaturen wehten sie auf unzähligen Wäscheleinen: Die Fußabdrücke von rund 10.000 Menschen, die in Berlin die Agrarwende forderten. So entstand am 16. Januar - dokumentiert von vielen TV-Teams und Fotograf*innen - ein eindrucksvolles Bild. Die Agrarwende-Bewegung zeigte so, wie Protest zu Lockdown-Zeiten geht.
Die Corona-Pandemie hatte das Wir haben es satt!-Bündnis vor besondere Herausforderungen gestellt. Weil die 60 Organisationen die Empfehlungen aus der Wissenschaft ernstnehmen, sagten sie die öffentliche Beteiligung am Protest ab. Stattdessen hieß es "Protest auf Distanz". Hierfür wurde die Aktion Fußabdruck ins Leben gerufen. Mitmachen war ganz einfach: Fuß, Farbe und Forderung drauf und dann nach Berlin schicken.
Die Aktion stieß auf reges Interesse und das Bild, das vor dem Kanzler*innen entstand, konnte sich sehen lassen. Mit dem im Regierungsviertel entstandenen Meer aus Fußabdrücken demonstrierte das Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft für eine Politik, die Höfen, Tieren und der Umwelt eine Zukunft gibt. „Agrarindustrie abwählen – Agrarwende lostreten!“ war die Botschaft vor dem Amtssitz von Kanzlerin Merkel.
Die Sprecherin des „Wir haben es satt!“-Bündnisses, Saskia Richartz, sagte: „Billiges Essen ist eine Sackgasse, die weder die Landwirtschaft noch die Verbraucher*innen weiterbringt.“ Das Bündnis kritisierte insbesondere die fatale Agrarpolitik der CDU. Agrarministerin Klöckner stand in der Kritik, da sie eine Politik auf Kosten von Höfen, Tieren und Umwelt macht.
Schon am Vormittag hatte eine Delegation von Bäuer*innen aus dem Berliner Umland vor der CDU-Zentrale ihrem Ärger über 15 Jahre verfehlte Unions-Agrarpolitik bei einer Protestkundgebung Luft gemacht. Rund 30 Traktoren hatten sich auf den Weg ins Zentrum gemacht. Darunter auch Sandra Finke-Neuendorf, die einen Hof im Norden von Berlin betreibt. „Dumpingpreise, Klimakrise und Artensterben zwingen uns alle zu Veränderungen," sagte die Finke-Neuendorf. "Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit, unseren Beitrag zu leisten." Von Ministerin Klöckner erwarten sie und ihre Berufskolleg*innen endlich die notwendigen Rahmenbedingungen. Gerechte Erzeugerpreise und ein ernsthafter Systemwechsel in der Agrarpolitik sind angesichts der Lage auf dem Land unabdingbar.
Seit 2005 musste rechnerisch pro Stunde ein Hof in Deutschland schließen. Im gleichen Zeitraum wurde das Agrarministerium durchgehend von der CDU/CSU besetzt. Richartz dazu: „Die CDU gehört nach 15 Jahren miserabler Agrarpolitik abgewählt.“ Für eine bessere Agrar- und Ernährungspolitik hat das Bündnis im Wahljahr fünf Forderungen aufgestellt: Höfesterben stoppen, Umbau der Tierhaltung fördern, Pestizidausstieg vorantreiben und ein klares Nein zur Gentechnik und zum EU-Mercosur-Abkommen.
Diese und andere Forderungen fanden sich auch auf den eingesandten Fuß- und Stiefelabdrücke oder Treckerspuren wieder. „Insekten retten“, „kleinbäuerliche Strukturen statt Agrarsteppen“, „lieber Gülle am Schuh als CDU“ oder „Bewegungsfreiheit auch für Schweine“ war vor dem Kanzleramt zu lesen. Besonders eindrucksvoll: Eine Familie aus Hamburg hat Agrarwende-Botschaften von vier Generationen – von drei bis 93 Jahre – eingesandt.
Im Superwahljahr mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl liegt es nun an allen, die industriehörige Politik abzuwählen – und so das Motto des Protests in Berlin zu unterstreichen: #AgrarwendeLostreten!
Im Wir haben es satt!-Bündnis sind rund 60 Organisationen zusammengeschlossen, die gemeinsam für eine bäuerliche Landwirtschaft mit mehr Tier-, Umwelt- und Klimaschutz kämpfen, in der die Bäuer*innen gut von ihren Produkten leben können. Normalerweise gehen alljährlich im Januar Zehntausende für die Agrarwende auf die Straße, pandemiebedingt fand der Protest dieses Mal auf Distanz statt.
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