Der Agrarindustrie die Stirn bieten

Wem gehört das Saatgut, wie ist der Boden verteilt und wie steht es hierzulande um die Tierhaltung? Diesen Fragen geht die Wir haben es satt!-Bewegung wenige Tage vor der Bundestagswahl mit einer Aktionstour quer durch Deutschland auf den Grund. An drei Stationen wollen Bäuerinnen, Bauern und andere landwirtschaftlich Engagierte zeigen, was bei der Lebensmittelerzeugung in Deutschland im Argen liegt. Mit Aktionen, Veranstaltungen und einer großen Abschlussdemonstration machen sie deutlich, dass die nächste Bundesregierung die Agrar- und Ernährungswende konsequent umsetzen muss.

Der erste Tourstopp ist am 6. September bei der Bayer AG in Leverkusen. Dort wird mit einer Aktion für Saatgutvielfalt gezeigt, warum Konzerne in die Schranken gewiesen werden müssen. Der Chemie- und Pharmariese Bayer drängt immer weiter auf den Agrarmarkt und plant nun für aberwitzige 59 Milliarden Euro die Monsanto-Übernahme. Das Geschäftsmodell aus genmanipuliertem Saatgut und Pestiziden soll – wenn es nach dem Konzern geht – weltweit zum Standard werden. Bayer will auf diese Weise seine Kontrolle im Agrarsystem sichern; Bäuerinnen und Bauern werden dabei zurück gelassen. „Wir arbeiten jeden Tag für eine andere Landwirtschaft und wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Bayer auf unsere Äcker drängt“, sagt Jochen Fritz und begründet so, warum die Tour zuerst am Niederrhein hält. Man setze auf bäuerliche Saatgutvielfalt statt auf Patente der Megakonzerne, so der Leiter der Kampagne Meine Landwirtschaft.

In Thüringen thematisiert die Aktionstour bei der zweiten Station Landraub – ein wenig beachtetes Problem in Deutschland. „Superreiche, die ursprünglich mit Landwirtschaft nichts zu tun hatten, und Großbetriebe schlucken hier am laufenden Band gigantische Flächen“, erklärt Fritz, der Landwirt im Nebenerwerb ist. Erst kürzlich hat Südzucker 3000 Hektar in Thüringen von ehemaligen LPG-Genoss*innen gekauft. Das Problem dabei: Bei diesen Dimensionen können normale Bäuerinnen und Bauern gar nicht mehr mithalten. Um zu verhindern, dass Land bald nur noch wenigen gehört, muss die Politik dringend gegensteuern. Schon heute gehören nach aktuellen Berechnungen drei Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe die Hälfte der Agrarflächen. Wir haben es satt! fordert daher eine Reform des Grundstücksverkehrsrechts, die junge Leute und kleine und mittlere Betriebe begünstigt.

Auch im Bereich der Fleischproduktion führt die Industrialisierung zu zahlreichen Problemen. Deutsche Überproduktion und Exporte zerstören bäuerliche Existenzen im globalen Süden und hierzulande werden immer mehr Tiere nicht mehr auf Bauernhöfen großgezogen. Von den rund 750 Millionen Masthähnchen, die in Deutschland im Jahr geschlachtet werden, werden zwei Drittel in Betrieben mit 50.000 oder mehr Tieren großgezogen. „Diese Tierfabriken müssen geschlossen werden“, fordert Fritz. „Wir brauchen einen Umbau der Tierhaltung und dabei muss klar sein, dass Bauernhöfe finanzielle Anreize für den Stallumbau brauchen.“ Dafür demonstriert Wir haben es satt! am 9. September zum Megaschlachthof in Königs Wusterhausen bei Berlin. Dort schlachtet Wiesenhof zurzeit 120.000 Hähnchen am Tag. Durch die Schlachthoferweiterung wollen sie die Kapazitäten verdoppeln. Nachdem der Konzern – ohne Genehmigung – die Zahl der getöteten Tiere schon auf 160.000 pro Tag erhöht hatte, stoppten die Behörden dies. Wiesenhof kündigte nun an, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Den Aktivisten und Aktivistinnen von Wir haben es satt! reicht es: Sie wollen, dass Massentierhaltung bald der Vergangenheit angehört und werden daher Anfang September gegen Wiesenhof demonstrieren.

 

Die Tourstationen im Überblick: Konzernmacht 6.9. Leverkusen | Landraub 7. & 8.9. Thüringen | Tierfabriken 9.9. Königs Wusterhausen

 


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