Alles Bullerbü oder was?

Der Planet brennt, die Felder verdorren und doch schwimmen wir sprichwörtlich in Milch. Wer glaubt eigentlich noch an das Märchen vom billigen Essen und der grünen Revolution? Schauen wir mal genauer auf die Qual der Wahl beim klimagerechten Essen!

Es ist wieder einmal Grüne Woche. Während Lebensmittel- und Agrarriesen im Labyrinth der Berliner Messe ihr Trugbild einer vermeintlich makellosen, innovativen und unbegrenzten Nahrungsmittelwirtschaft polieren, wirft Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner engagierten Bürger*innen und Bäuer*innen eine „Bullerbü“-Mentalität vor, weil sie es wagen, Kritik an der aktuellen Agrarpolitik zu äußern.

Provoziert fühlt sie sich von 27.000 Menschen, die am vergangenen Samstag gemeinsam mit Bäuer*innen aus der ganzen Bundesrepublik gegen die Auswüchse der globalisierten Agrarindustrie demonstrierten. Zum zehnten Mal verschafften sich die Teilnehmer*innen der Großdemonstration Gehör und zeigten klare Kante für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft, die Klima und Tiere schützt. Konkret forderten die Demonstrant*innen eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen im Sinne einer zielführenden Förderung des Umbaus der Land- und Tierwirtschaft. Sie verlangten mehr Insekten- und Klimaschutz, weniger Pestizide, sowie ein Veto gegen das EU-Mercosur-Abkommen und gegen neue Gentechnik-Tricksereien.

Man könnte meinen, das sorge für Wind in den Segeln einer Ministerin, deren Aufgabe es ist, das massive Höfesterben zu beenden, Perspektiven für ein klimagerechtes Leben auf dem Land zu schaffen und den deutschen Agrar- und Ernährungssektors innerhalb einer Generation in die Klimaneutralität zu führen. Aber Julia Klöckner lässt nicht ab vom „Wachse oder Weiche“-Märchen des Deutschen Bauernverbandes. Seit Jahrzehnten befeuert die deutsche Agrarpolitik eine Überproduktion an Milch- und Fleischprodukten, setzt auf Gen-Futter aus dem Amazonas und auf die Pestizid-Produktion deutscher Konzerne wie Bayer und BASF. Der Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch liegt beispielsweise bei rund 120 Prozent, bei Milch bei 112 Prozent und bei Trockenmilcherzeugnissen sogar bei 163 Prozent. Rund 60 Prozent der gesamten Methan (CH4)-Emissionen und 80 Prozent der Lachgas (N2O)-Emissionen in Deutschland stammen aus der Landwirtschaft. Hierbei spielt die intensive Tierhaltung, das schlechte Düngemanagement und auch ein fehlender Schutz von Böden und Moorflächen eine wichtige Rolle.

Aber statt echte Perspektiven für eine klimagerechte Landwirtschaft zu schaffen, macht die Ministerin lieber eine inhaltsfreie Werbekampagne unter dem Motto „Du entscheidest“. Den Verbraucher*innen suggeriert sie damit, es sei erstrebenswert und verantwortungsvoll eine Wahl treffen zu können – ja treffen zu müssen – zwischen Lebensmitteln, die das Klima, Tiere und die Umwelt schützen, und jenen, die es nicht tun.

Das ist ein unhaltbarer Irrsinn: Die Regierung muss endlich dafür sorgen, dass sich die klima-, umwelt- und tierwohlschädigende Lebensmittelproduktion nicht mehr rentiert. Dafür waren wir am Samstag mit „Wir haben es satt“ wieder einmal mit Zehntausenden auf der Straße und dafür werden wir auch in Zukunft kämpf


Saskia Richartz ist Sprecherin des „Wir haben es satt!“-Bündnisses und Leiterin von Meine Landwirtschaft. Der Kommentar erschien zuerst in dem Portal energiezukunft.
 


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